Wenn uns Heuristiken in die Irre führen

SOCIAL PROOF

Wie der Herdentrieb heute noch funktioniert und wie wir ihn im Marketing nutzen können

Millionen Menschen können sich irren:

Warum Popularität nicht gleich Wahrheit bedeutet

Auch wenn wir uns dessen bewusst sind, fallen wir immer wieder darauf herein. Ein „Gefühl“ sagt uns einfach, dass es nicht falsch sein kann, wenn andere der Meinung sind. Davon hing in grauer Vorzeit unser Überleben ab.

Ob wir Bewertungen über ein Restaurant lesen und daraufhin entscheiden, ob wir dorthin unsere Liebsten ausführen. Ob wir, wenn 10 Menschen in die Luft starren, wir ebenfalls wissen wollen, wohin sie blicken und ebenfalls in diese Richtung schauen. Ob wir Trinkgeld an einer Kassa geben, wenn vor uns andere dies tun. Ob wir ebenfalls beginnen zu klatschen, wenn in einem Theaterstück auch nur einer beginnt…

Das alles ist „Social Proof“! 

Social Proof besagt, dass wir unser Verhalten als richtig empfinden, wenn wir uns wie die Mehrheit verhalten. Anders ausgedrückt: Je mehr Menschen eine Idee unterstützen, desto richtiger erscheint sie – was jedoch oft absurd ist.

 

Das Solomon-Asch-Experiment

Wie Gruppendruck unsere Urteile beeinflusst

Das Solomon-Asch-Experiment, durchgeführt in den 1950er Jahren vom Sozialpsychologen Solomon Asch, zeigt eindrucksvoll, wie stark unsere Urteile durch Gruppendruck beeinflusst werden können.

Aufbau des Experiments:

Teilnehmer: Gruppen bestanden aus einer echten Versuchsperson und mehreren Schauspielern, die vorgegebenen Anweisungen folgten.

Aufgabe: Die Teilnehmer sollten angeben, welche von drei Vergleichslinien dieselbe Länge wie eine Referenzlinie hatte. Die richtige Antwort war offensichtlich.

Ablauf: Zunächst gaben die Schauspieler korrekte Antworten, begannen jedoch nach einigen Durchgängen, einstimmig falsche Antworten zu geben.

Ergebnisse:

Konformität: Rund 75 % der echten Versuchspersonen schlossen sich mindestens einmal der falschen Meinung der Gruppe an.

Einfluss der Gruppe: Etwa 25 % der Versuchspersonen widerstanden dem Gruppendruck und gaben stets die richtige Antwort.

Durchschnittliche Konformität: Insgesamt gaben die Teilnehmer in etwa 37 % der Fälle falsche Antworten, um mit der Gruppe konform zu gehen.

Schlussfolgerungen:

Das Asch-Experiment verdeutlicht den erheblichen Einfluss sozialer Normen und Gruppendrucks auf individuelle Entscheidungen. Es zeigt, wie bereit Menschen sind, offensichtliche Wahrheiten zu ignorieren, um sich der Meinung der Gruppe anzupassen.

Dieses Experiment hat wichtige Implikationen für das Verständnis von Gruppenverhalten und sozialer Anpassung und zeigt, wie leicht unsere Wahrnehmungen und Urteile manipuliert werden können.

Warum ticken wir so?

Dieses Verhalten hat sich in unserer evolutionären Vergangenheit als richtig effektive Überlebensstrategie erwiesen. Stellen Sie sich vor, Sie wären vor 50.000 Jahren mit Ihrer Jäger- und Sammlerkollegen in der Serengeti unterwegs. Plötzlich rennen Ihre Begleiter überstürzt davon. Was tun Sie? Bleiben Sie stehen und überlegen, ob das, was Sie sehen, wirklich ein Löwe ist oder doch ein harmloses Tier, das nur wie ein Löwe aussieht? Nein, Sie rennen sofort hinterher, so schnell Sie können. Nachdenken können Sie später – wenn Sie in Sicherheit sind. Wer anders gehandelt hat, hat sich damit erfolgreich aus dem Genpool verabschiedet.

Gut – Löwen sind in unseren Breitengraden heutzutage nicht mehr unser Hauptproblem aber wie wäre es damit: Stellen Sie sich vor, Sie sind bei einem Konzert in einem großen Stadion. Plötzlich entsteht Unruhe, die anwächst. Menschen beginnen zu schreien und sie sehen Sie, wie sie in Panik zum Ausgang rennen. Was tun Sie? Bleiben Sie ruhig stehen und versuchen herauszufinden, ob es wirklich einen Grund zur Panik gibt? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie rennen sofort mit, so schnell Sie können, da ihr uralter Überlebensinstinkt sie dazu antreibt.

Erst wenn Sie in Sicherheit sind, überlegen Sie, ob die Panik berechtigt war. Wer anders handelt, bringt sich möglicherweise in Gefahr. 

Dieses Verhaltensmuster ist so tief in uns verankert, dass wir es noch heute anwenden, selbst wenn es keinen Überlebensvorteil mehr bringt.

Social Proof in der modernen Welt

Comedy- und Talkshows nutzen Social Proof, indem sie an strategischen Stellen Gelächter einspielen, was die Zuschauer nachweislich zum eigenen Lachen anregt.

Social Proof in der Werbung

Werbung nutzt unsere Schwäche für Social Proof systematisch aus. Sie funktioniert besonders gut in unübersichtlichen Situationen (wie der Vielzahl an Automarken, Reinigungsmitteln, Schönheitsprodukten etc.), wo es keine offensichtlichen Vor- und Nachteile gibt, und wenn Menschen „wie du und ich“ vorkommen. 

Im Fernsehen wird man daher kaum eine afrikanische Hausfrau sehen, die ein Putzmittel anpreist.

Vorsicht vor dem „Meistverkauft“-Argument

Seien Sie skeptisch, wann immer eine Firma behauptet, ihr Produkt sei das „meistverkaufte“. Warum sollte ein Produkt besser sein, nur weil es das „meistverkaufte“ ist?

Der Schriftsteller Somerset Maugham drückte es treffend aus:

Wenn 50 Millionen Menschen eine Dummheit behaupten, wird sie dadurch nicht zur Wahrheit.

Wie wir Social Proof im Marketing nutzen können

Folgende Beispiele zeigen, wie Social Proof genutzt werden kann, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung zu erhöhen, indem sie die positive Meinung und das Verhalten anderer Menschen hervorheben.

1. **Kundenbewertungen und Testimonials**: Positive Rezensionen und Erfahrungsberichte von zufriedenen Kunden auf einer Website oder Plattform.

2. **Prominente und Influencer**: Empfehlungen oder die Nutzung von Produkten durch bekannte Persönlichkeiten oder Influencer.

3. **Nutzerzahlen**: Anzeigen, wie viele Menschen ein Produkt oder eine Dienstleistung bereits verwendet haben, z.B. „Über 1 Million verkaufte Exemplare“.

4. **Zertifikate und Auszeichnungen**: Gütesiegel, Zertifikate oder Preise, die das Vertrauen und die Qualität des Produkts oder der Dienstleistung bestätigen.

5. **Social Media Shares und Likes**: Hohe Anzahl an Shares, Likes oder Followern auf sozialen Medien als Indikator für Beliebtheit und Vertrauen.

6. **Fallstudien und Erfolgsgeschichten**: Detaillierte Berichte darüber, wie das Produkt oder die Dienstleistung anderen geholfen hat, ihre Ziele zu erreichen.

7. **Bekannte Kunden**: Erwähnung von bekannten Unternehmen oder Persönlichkeiten, die das Produkt oder die Dienstleistung nutzen.

8. **Community und Foren**: Aktive und engagierte Online-Communities oder Foren, in denen Nutzer ihre positiven Erfahrungen teilen.

9. **“Was andere kaufen“ Hinweise**: Empfehlungen auf E-Commerce-Websites, die anzeigen, welche Produkte andere Kunden häufig kaufen.

10. **Anzahl der Abonnenten oder Mitglieder**: Anzeigen, wie viele Abonnenten oder Mitglieder eine Dienstleistung oder ein Produkt hat, z.B. „Über 10.000 Abonnenten weltweit“.

 

Karin Rabensteiner –
Kreativer Psychologie- und Neurowissenschafts-NERD

Quellen & Literatur

Solomon Asch’s Original Papers: Asch, S. E. (1951). „Effects of group pressure upon the modification and distortion of judgments.“ In H. Guetzkow (Ed.), Groups, leadership, and men. Pittsburgh, PA: Carnegie Press.

Rolf Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens |Erscheinungsdatum 09.12.2021, Illustrator Birgit Lang, Verlag Piper Taschenbuch, Seitenzahl 400, 3. Auflage, ISBN 978-3-492-31837-2

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